DFG Projekt: Mikromanipulatoren für die HNO-Chirurgie
Das DFG Projekt "Mikromanipulatoren für die HNO-Chirurgie" (DI 1404/3-1, LU 604/25-1) ist eine Zusammenarbeit zwischen der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (Professor Dietz) am Universitätsklinikum Leipzig und dem Lehrstuhl MIMED (Professor Lueth) an der Technischen Universität München. Das Projekt läuft seit dem September 2009.
Erkrankungen und Eingriffe in der Mittelohrchirurgie
Die Gehörknöchelchen (Hammer, Amboss, Steigbügel) im Mittelohr übertragen die Schwingungen des Trommelfells in das Innenohr. Durch Verletzungen, Tumore, Verknöcherung (Otosklerose) oder angeborene Fehlbildungen kann diese Schalleitungsbrücke eingeschränkt oder unterbrochen sein. Eingriffe im Bereich des Mittelohrs haben daher in der Regel das Ziel, die Schalleitung wieder herzustellen.
Bisherige Operations- methoden
Der Goldstandard der Mittelohchirurgie sieht die manuelle Instrumentenführung (Feininstrumente, Zängchen, Scherchen) zur Präparation kleinster Strukturen wie Hammer, Amboss und Steigbügel vor. Viele Operationen werden unter dem Mikroskop durchgeführt und deshalb als mikrochirurgische Eingriffe bezeichnet.
Der Wunsch nach einer zitterfreien und bequemen Instrumentenführung
Die Genauigkeit der menschlichen Hand beträgt etwa 0,1mm und ist prinzipiell den gestellten Anforderungen in der Mittelohrchirurgie gewachsen. Allerdings wird die Schwierigkeit der Eingriffe durch mangelnde Sicht auf das Operationsgebiet und durch ungünstige ergonomische Bedingungen deutlich vergrößert. Das natürliche Zittern der Hände (Tremor) nimmt unter Belastung stark zu. Die körperliche und psychische Belastung ist für den Arzt entsprechend hoch und reicht bis an die Grenzen des Machbaren.
Aufgabenstellung
Ziel des Projektes ist es, dem Chirurgen ein Telemanipulations-system zur zitterfreien Führung der chirurgischen Instrumente zur Verfügung zu stellen. Das System soll folgenden Kerneigenschaften besitzen:
- Verwendung von handelsüblichen Mikroinstrumenten
- Miniaturisierte Abmessungen, dadurch Integration in bestehendes OP-Setup möglich
- Steuerung direkt am OP-Tisch. Wechsel zwischen manueller und telemanipulierter Instrumentenführung jederzeit möglich. Auch paralleler Einsatz z.B. als dritte Hand
- Skalierung der Bewegung und Tremorkompensation
- Hohe Fehlersicherheit und Zuverlässigkeit
Ein Telemanipulator für Standardinstrumente
Das im Rahmen des Projektes verfolgte Konzept beruht auf einem sehr kleinen Telemanipulator, in den handelsübliche Instrumente (Häkchen, Zängchen etc.) eingesetzt werden können. Der Telemanipulator wird am OP-Tisch montiert und kann mit einer Joystick-Steuereinheit vom OP-Tisch aus bedient werden.
Telemanipuliertes Operieren
Benötigt der Arzt für einen schwierigen Operationsschritt ein präzises Instrument, so kann der Manipulator über den Gelenkarm schnell in das OP-Gebiet eingeschwenkt werden. Die Standardinstrumente werden einfach in die sterilen Instrumentenaufnahmen eingeklipst. Die Instrumente können dann über eine Joystick-Steuereinheit vom OP-Tisch aus bedient werden. Die Bewegungen des Chirurgen werden dabei skaliert, sodass eine große Bewegung der Joysticks zu einer kleinen Bewegung des Instrumentes führt. Der Arzt kann jederzeit auch per Hand weiteroperieren.
Alleinstellung
Der Mikromanipulator hebt sich durch folgende Merkmale von aktuell in der Forschung befindlichen Systemen ab:
- Verwendung von Standardinstrumenten
- Bedienung direkt am OP-Tisch
- Flexibel während der OP einsetzbar
- Keine Änderung des OP-Setups
- Miniaturisierte Abmessungen
Zudem handelt es sich um das erste System dieser Art, welches bereits in der klinischen Praxis eingesetzt wurde.
Hypothese
Im Rahmen des Projektes soll geklärt werden, ob dieser neue Ansatz in der Mittelohrchirurgie vorteilhaft für Patient und Chirurg eingesetzt werden kann. Hat das System die Qualität der Behandlung verbessert? Hat sich der Stress des Chirurgen mit dem System verringert? Kann das System problemlos in bestehende Klinikabläufe integriert werden?
Experiment und Messung
In einem Experiment wurde die telemanipulierte Instrumentenführung der manuellen Instrumentenführung gegenüber gestellt. Dazu mussten 17 Medizinstudenten und 15 Chirurgen eine definierte Aufgabe an einem Phantom durchführen, die an einer realen OP-Situation angelehnt ist. Dabei wurden die Genauigkeit der Instrumentenführung und die Dosierbarkeit von Kräften analysiert. Zudem wurde das System bereits mehrfach klinisch evaluiert.
Ergebnisse
Das Instrument kann mit dem Manipulator ruhiger und genauer geführt werden. Mit dem System lassen sich Kräfte ebenso feinfühlig dosieren wie per Hand. Das Zittern der Kraft (Krafttremor) nimmt mit dem Manipulator deutlich ab.
Publications:
Maier, T.; Meschede, T.; Strauss, G.; Kraus T.; Dietz A.; Lüth T.C.;, „Joystick Control with Capacitive Release Switch for a Microsurgical Telemanipulator”. In: Proc 2010 IEEE Human System Interaction, pp 223-229, May 2010. BEST PAPER AWARD.
Maier, T.; Strauss, G.; Hofer, M.; Kraus, T.; Runge, A.; Stenzel, R.; Gumprecht, J.; Berger, T.; Dietz, A.; Lueth, T.C.; , "A new Micromanipulator System for middle ear surgery," Robotics and Automation (ICRA), 2010 IEEE International Conference on , vol., no., pp.1568-1573, 3-7 May 2010.
Maier, T.; Strauß, G.; Dietz, A.; Lueth, T.C.;. „Erster klinischer Einsatz eines neuartigen Mikromanipulators für die Mittelohrchirurgie,“ Laryngorhinootologie, 87, pp. 620-622, September 2008.
Maier, T.; Strauß, G.; Niazmand, K.; Lueth, T.C.;, „MicroMan – Ein neuartiger Mikromanipulator für den chirurgischen Einsatz in der Mittelohrchirurgie,“ in Proc. 2008 Robotik, pp. 67-70.