Robot in the Cloud
Im Rahmen der voranschreitenden Automatisierung des Materialflusses in der Logistik, finden fahrerlose Transportsysteme (FTS), wozu auch autonome Stapler gehören, vermehrt Anwendung. Diese Systeme bestehen aus einer Leitsteuerung sowie mehreren (möglicherweise unterschiedlichen) fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF), die beispielsweise Materialien transportieren und einlagern. Dabei übernimmt die Leitsteuerung die zentrale Koordination der FTF-Flotte, wie z. B. die Auftragsverteilung oder das Flottenmanagement. Das FTF ist zuständig für die Erfüllung des Auftrags in der Produktionsstätte und muss hierfür die Verarbeitung der datenintensiven und latenzkritischen Funktionen übernehmen sowie gleichzeitig sicher mit dem Menschen kollaborieren können. Ein autonomer Stapler, welcher ein weitaus komplexeres System als ein FTF darstellt, erzeugt sowohl für den Transport als auch für das Handling von Behältern hohe Datenmengen, die derzeit auf dem Stapler verarbeitet, ausgewertet und via Befehl an die Fahrzeugsteuerung übergeben werden. Im Gegensatz zu den meisten FTF ist der Stapler jedoch nicht auf einem Einzelprozess, wie zum Beispiel dem Transport von Behältern, begrenzt, sondern wird für mehrere Prozesse eingesetzt, wie z. B. die LKW Be- und Entladung oder die Blocklagerverwaltung.
Für die Ausführung der von der Leitsteuerung erteilten Aufgaben erfasst der autonome Stapler mittels Sensorik die Umgebung, verarbeitet die Sensordaten mit Hilfe intelligenter Algorithmen und führt die nächste Aktion zur Erreichung des Ziels durch. Diese Funktionen sind dabei häufig datenintensiv und latenzkritisch (z. B. Kollisionsvermeidung oder Behälterdetektion mittels Kamera) und werden auf der lokalen Recheneinheit des autonomen Staplers berechnet und abgearbeitet.
Weiterhin verfügen autonome Stapler über zusätzlich, separat zu betrachtende Sicherheitsausstattung, welche das sichere Arbeiten der Fahrzeuge im Umfeld mit Menschen ermöglicht, insbesondere im Bereich der Gabelzinken. Diese Sicherheitsausstattung setzt sich aus Sensorik und Recheneinheit zusammen, die eine bestimmte Ausfallwahrscheinlichkeit und damit ein entsprechendes Performance Level (PL) nachweisen können. In der Praxis überprüfen diese Systeme die An- bzw. Abwesenheit eines Objekts im Arbeitsfeld. Sobald sich Objekte in dem zuvor definierten Arbeitsfeld befinden, unterbricht die Recheneinheit weitere Aktionen des Systems. Fortgeschrittene Systeme überprüfen nicht nur die Anwesenheit von Objekten, sondern auch die derzeitige Geschwindigkeit und den benötigten Bremsweg, um das System rechtzeitig zu stoppen.
Bisherige Kommunikationstechnologien erlaubten aufgrund der geringen Bandbreite, hohen Latenzzeiten sowie einem fehlenden Funkzellenwechsel (Handover) und fehlender Redundanz die Auslagerung datenintensiver, latenzkritischer und sicherheitskritischer Funktionen in die Cloud nicht, wie zum Beispiel kamerabasierte Navigation und Detektion oder kamerabasierte funktionale Sicherheit über die Cloud. Durch die Einführung von 5G als neue Kommunikationstechnologie ergeben sich jedoch völlig neue Anwendungsgebiete. In dem Projekt Robot-in-the-Cloud soll daher untersucht werden inwiefern datenintensive, latenzkritische und sicherheitskritische Edge-Komponenten mit Hilfe von 5G-Technologie in die Cloud ausgelagert werden können.
Das übergeordnete Ziel des Förderprojekts ist die Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen für die effiziente und wirtschaftliche Nutzung der Ergebnisse von Robot-in-the-Cloud. Um dieses Ziel zu erreichen, wird das klassische V-Modell angewandt. Zunächst erfolgt mit Hilfe von Requirements Engineering das Erfassen aller relevanten Anforderungen an das Geschäftsmodell Robot-in-the-Cloud unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der Wissenschaft und Technik. Im Stand der Wissenschaft und Technik werden anhand einer umfangreichen Literaturrecherche sowie Experteninterviews unterschiedliche Funktechnologien und Cloud-Lösungen recherchiert und selektiert. Sicherheitsrelevante Funktionen von autonomen Staplern werden durch Standards, Normen und Richtlinien ermittelt. Außerdem werden auch hier Experteninterviews geführt, um die Anforderungen des Marktes an die Architektur des Systems zu berücksichtigen. Anschließend werden die ermittelten Anforderungen in technische Anforderungen an den Systemaufbau und den Architekturaufbau (Software) abgeleitet. Es folgt die Aufnahme des Ist-Zustands von datenintensiven, latenzkritischen und sicherheitsrelevanten Funktionen am autonomen Stapler für die Auslagerung in die Cloud. Unter Berücksichtigung der ermittelten Anforderungen wird eine detaillierte Systemarchitektur erarbeitet. Die technische Machbarkeitsanalyse zur Auslagerung geeigneter Funktionen in die Cloud beinhaltet den Aufbau der Testumgebung am Lehrstuhl fml, die Umrüstung eines autonomen Staplers für die LKW-Be-und Entladung, das Einstellen und Programmieren des Cloud-Servers sowie Versuche unter Laborbedingungen. Parallel dazu wird ein weiterer autonomer Stapler für die Blocklagerbewirtschaftung aufgebaut. Am Ende werden beide Stapler unter realen Bedingungen im BMW Werk Landshut getestet, wobei beide Stapler über den Robot-in-the-Cloud-Ansatz verfügen. Der direkte Vergleich beider Stapler mit und ohne Robot-in-the-Cloud-Ansatz ermöglicht die Validierung sowie das Ableiten von Optimierungspotenzialen und Handlungsempfehlungen für den effizienten und wirtschaftlichen Einsatz von Robot-in-the-Cloud.
- BMW AG
- congiv GmbH
- KS Control GmbH
Das Forschungsprojekt wird gefördert durch das Bayerisches Staatsministeriumfür Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie.